NachLese: LESUNG mit Gudrun Seidenauer
Am 1. Dezember 2009 um 11:30 Uhr präsentierte die österreichische Schriftstellerin GUDRUN SEIDENAUER ihren 2009 im Residenzverlag erschienenen Roman "Aufgetrennte Tage". Als Veranstaltungsort haben wir diesmal die wunderschöne Kapelle im Konvikt gewählt.
Begrüßung und einführende Worte durch die Olmützer Österreich-Lektorin
Der seltsame Titel "Aufgetrennte Tage" bezieht sich zum einen auf die immerwährenden Strickarbeiten der alternden Mutter Marianne, sie hält sich an den Stricknadeln fest, um ihre Alltagsstrukturen nicht aus der Hand zu geben: Sie leidet nämlich an Alzheimer und verliert dadurch zunehmend den Bezug zur Zeit. Die Tochter Friederike versucht - nicht nur mit dieser Situation - sondern mit der komplexen Familiengeschichte insgesamt adäquat umzugehen.
Zum anderen benennt „Aufgetrennte Tage“ aber auch die Marianne im Laufe ihres Lebens widerfahrenen Trennungen: die Trennung von der Südtiroler Heimat durch die faschistische Italianisierung, die Trennung von der Tochter Friederike und von der kurz währenden Liebe zu ihrem Ehemann, der zu Tode kam, weil er von der Hausstiege stürzte – oder aber: er wurde gestürzt.
Der Text springt zwischen Perspektiven und Zeitebenen hin und her, in einer unerhört genauen Sprache, die eine Vielzahl von Metaphern und sprachlichen Bildern enthält. Die Lektüre des Buches erfordert von daher einen gewissen Grad an Langsamkeit und Genauigkeit, die dem Leser, der Leserin abverlangt wird.
In Gudrun Seidenauers Buch geht es um die Frage nach der Beziehung zwischen den Eltern und ihrer Tochter, die Beziehung zwischen Mann und Frau und Frau und Frau, es geht um die Krankheit Alzheimer und die „weißen Flecken im Kopf“, die immer größer werden, um das unausweichliche Altwerden in Würde oder Verwirrung, es geht um einen politischen Erzählstrang, der uns von Südtirol weg, im Zuge von Hitlers sogenannter „Umvolkung“ nach Mähren und von dort ins Auffanglager und wieder zurück nach Italien führt, und es geht um Einsamkeit, Ratlosigkeit und Ohnmacht, die jede der auftretenden Figuren auf ihre Art und Weise zu durchleben hat.
Nach der Lesung signierte die Autorin das Buch, das ab sofort von unserer LeserInnenfamilie in unserer Bibliothek entlehnt werden kann!
Wir danken unseren Veranstaltungspartnern:
Österreichisches Kulturforum Prag
und
Katedra germanistiky Olomouc (FF UPOL)
Weiters danken wir dem Residenzverlag für die großzügige Buchspende für unsere Bibliothek! Vielen Dank!
Fotos: Milan Horňaček (Olomouc) - Vielen Dank dafür!!
feierl - 7. Dez, 18:35